25 Jahre „Väteraufbruch für Kinder in Jena“

„Vorgestellt“ hieß es 1995 in der Chance: „Kinder brauchen Väter“. Was heute selbstverständlich scheint, bedurfte in einer Zeit, da unverheiratete Väter so gut wie keine juristisch verankerten Ansprüche auf gelebte Elternschaft hatten, einen „Aufbruch“. Inzwischen gelingt es Paaren meistens relativ gut, nach Trennung und Scheidung die Verantwortung für ihre Kinder weiterhin wahrzunehmen. Die gemeinsame elterliche Sorge ist tatsächlich auch für Unverheiratete weitestgehend Standard geworden. Paritätische Betreuung im Sinne einer Doppelresidenz (Wechselmodell) findet immer öfter statt.

Jedoch die schwierigen Fälle sind geblieben. Es bestehen rechtliche oder finanzielle Unsicherheiten, der Paarkonflikt dominiert das Geschehen, Kinder werden instrumentalisiert oder Frustration führt zum einseitigen Rückzug. In hochstrittigen Konstellationen kann es dazu kommen, dass Kinder sich dem Dauerkonflikt entziehen und sich „freiwillig“ für eine Seite entscheiden. Der ARD-Film „Weil Du mir gehörst“ hat dieser Problematik Anfang des Jahres zu mehr Aufmerksamkeit verholfen.

Seit Mai 1995 werden in Jena regelmäßig monatliche Treffen angeboten! Erst Corona brachte eine kurze Zwangspause. Im Durchschnitt kommen vier bis acht Personen zusammen. Einige sind das erste Mal dabei und auch mit einem Gespräch zufrieden. Andere bleiben ein, zwei Jahre oder berichten in gewissen Abständen über ihre Situation. Jeder Abend ist anders – meistens entsteht ein sehr intensiver Austausch. Vor allem stärkt die Erfahrung, mit der eigenen belastenden Situation nicht alleine zu stehen. Auch kritische Nachfragen können hilfreich sein. Oft reift die Erkenntnis: „Wenn ich das so höre, bin ich ja noch ganz gut dran.“

Auch wenn im Namen der Initiative die Väter explizit angesprochen werden, geraten natürlich auch Mütter in ähnliche Situationen und bewahren die Gruppe vor vorschnellen Verallgemeinerungen. Manchmal ergreift die neue Partnerin die Initiative und bringt wieder andere Aspekte ein. Kürzlich nahm eine junge Frau teil, die als Kind gegen ihre innere Stimme bei der Mutter blieb, um diese zu stützen. So prallen ganz verschiedene Perspektiven aufeinander. Es ist immer spannend, obschon die wiederholte Auseinandersetzung mit äußerst unbefriedigenden Umständen auch eine emotionale Herausforderung sein kann.

Beitrag für Selbsthilfezeitschrift Chance 2020

20 Jahre Väteraufbruch für Kinder in Jena

Pressemitteilung 21.10.2015

In den letzten Jahrzehnten hat sich für Väter viel verändert. Als sich 1995 der "Väteraufbruch für Kinder Jena" als Initiative der Selbsthilfe formierte, war für unverheiratete Väter z.B. der Umgang mit den eigenen Kindern im Gesetz noch nicht verankert. In Trennungssituationen hatten sie bzw. ihre Kinder häufig das Nachsehen. Ein äußerst unbefriedigender Zustand für die Betroffenen und Anlass, den Austausch von Erfahrungen und Informationen zu diesem Missstand zu suchen. In Jena wagten damals Karl-Heinz Mai und Dr. Ernst Glaser diesen Schritt. Die Informations- und Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen (IKOS) bot dafür einen günstigen Rahmen. Ziel war und ist es, die Beziehung zu den eigenen Kindern nach Trennung und Scheidung unter akzeptablen Bedingungen zu erhalten.

Die Reform des Kindschaftsrechts brachte 1998 mit der Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher Kinder eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen. Erstmals wurde ein Recht des Kindes auf Mutter und Vater formuliert! Die wohl weitreichendste Änderung betraf die gemeinsame elterliche Sorge. Diese ist seitdem bei einer Scheidung nicht mehr Verhandlungs-, also Streitthema, sondern wird im Regelfall automatisch fortgesetzt. Alle Hoffnungen der Väter wurden allerdings nicht erfüllt. So war der Vater ohne Eheurkunde bei der Sorgeerklärung immer noch auf den guten Willen der Mutter angewiesen, um gleichberechtigter Elternteil werden zu können. 2010 stellten dann sowohl das BVerfG als auch der EuGH fest, dass die deutsche Gesetzeslage Väter außerehelich geborener Kinder diskriminiert. Seit der Neuregelung von 2013 kann nun auch der nicht verheiratete Vater durch einen einfachen Antrag an das Familiengericht die Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Eltern erwirken.

Eine zentrale Frage nach einer Trennung ist die Gestaltung des Umgangs mit den Kindern. Hier engagiert sich insbesondere der gleichnamige Bundesverein für die paritätische Doppelresidenz, besser als Wechselmodell bekannt. Immer mehr Eltern streben diese Variante an oder haben bereits Erfahrungen damit gesammelt. In anderen Fällen hat es aus den verschiedensten Gründen über Monate hinweg keinen Kontakt zu den Kindern gegeben. Manchmal sind die gerechte Aufteilung der Kosten für Unterhalt und Umgang ein Problem. In anderen Situationen können auch Entfremdung, Umgangsverweigerung oder häusliche Gewalt eine Rolle spielen. Spannend kann es werden, wenn neue Partner ins Spiel kommen. Da diese auch schon an den Zusammenkünften teilnahmen, sind die Väter nicht immer unter sich, was vor Pauschalisierung und Polarisierung schützt. Mitunter werden auch Mütter ausgegrenzt und suchen das Gespräch. Vor einiger Zeit kam ein junger Mann in die Runde, dessen Kind noch gar nicht geboren war. In Erinnerung geblieben ist ebenso ein Vater, der sich wegen widriger Umstände erst nach vielen Jahren entschloss, Kontakt zum Sohn aufzunehmen sowie eine Großmutter, die sich um die Enkel sorgte. Es kommen Eltern und Großeltern aus Jena, aber auch aus ganz Thüringen. Sehr interessant war der Austausch mit jungen Menschen, die selbst die Trennung der Eltern erlebt haben.

Seit einem Jahr finden die regelmäßigen monatlichen Treffen des "Väteraufbruch für Kinder Jena" im Tageszentrum Gartenstraße 4 statt. Jeden ersten Dienstag im Monat ab 20 Uhr besteht die Möglichkeit, Erfahrungen und Informationen in lockerer Atmosphäre auszutauschen. Ansprechpartner sind derzeit Bernhard Kühn und Ulv Krabisch. Jeder kann seine Ansichten einbringen. Einige kommen mehrmals, auch über einen längeren Zeitraum. Andere sind mit einem Gespräch in einer akuten Situation zufrieden. Zu den offenen Treffen sind Väter, sowie Mütter und andere Interessierte weiterhin herzlich eingeladen.

Einige Male fanden Studierende den Weg zum "Väteraufbruch", da sie sich mit dem Thema auseinandersetzen wollten. Das eindrücklichste Ergebnis erzielte Romi Klockau mit der "Drucksache Kind", eine grafisch aufwendig gestaltete Diplomarbeit an der Bauhaus-Uni Weimar. Darüber hinaus unterhält der Väteraufbruch Kontakte zum Jugendamt, zu Mediatoren und Rechtanwälten, nimmt an Veranstaltungen teil oder führt diese durch.